Abschluss der 20. Universitätswochen in der Sparkasse

Professor Gerd Bosbach, Professorin Ursula Lehr, Moderator Bernd Müller, Professor Thomas Philipp und Hans-Georg Crone-Erdmann (v.l.n.r.) sprachen darüber, ob der demographische Wandel der Gesellschaft eine Bedrohung oder eine Chance sei.

MOERS. Die organisatorische und geistige Entwicklung der älter werdenden Gesellschaft kommt der medizinischen bislang nicht nach. So könnte das Fazit der 20. Universitätswochen lauten, die jetzt mit einer Podiumsdiskussion in der Kundenhalle der Sparkasse am Niederrhein zuende gingen. WDR-Moderator Bernd Müller und die rund 250 Zuhörer erfuhren dabei unter anderem, dass allein das Gefühl, gesund zu sein, Menschen älter werden lasse und dass die ältere Generation „eine unverzichtbare Kulturbrücke für die Jungen ist“, so Hans-Georg Crone-Erdmann, Hauptgeschäftsführer der IHK-Vereinigung in Nordrhein-Westfalen.

Gesellschaft ohne Lebensmitte

Professorin Ursula Lehr, von 1988 bis 1991 Familienministerin im Kabinett von Helmut Kohl: „Wir sind eine Gesellschaft ohne Lebensmitte.“ Bis zum 35. Lebensjahr zähle man heute zur Jugend, mit 45 sei man bereits älterer Arbeitnehmer, mit 50 schwer vermittelbar und mit 55 greife bereits die Seniorenwirtschaft nach einem. Professorin Lehr hatte in Heidelberg den ersten Lehrstuhl für Gerontologie eingerichtet und begründete damit in Deutschland die Wissenschaft vom Altern.

„Interessant für uns war, dass Menschen nicht älter werden, weil sie gesünder sind, sondern weil sie sich gesünder fühlen“, so Professorin Lehr. Eine Langzeitstudie über zwei Jahrzehnte hatte diese erstaunliche Tatsache zu Tage gefördert. Gleichwohl sei Wohlbefinden nicht umsonst zu haben, betonte Professor Thomas Philipp vom Zentrum für Innere Medizin an der Universität Duisburg-Essen. Es sei enorm wichtig, seine Blutwerte und den Cholesterinspiegel im Blick zu behalten. „Wenn Sie sich um ihr Hirn, die Gefäße und die Gelenke kümmern, können sie gesund alt werden“, so Professor Philipp.

Ab 2015 Lücke auf dem Arbeitsmarkt

Spätestens in zehn Jahren werde deutlich, dass man die Alten und gesund Gebliebenen auch noch dringend auf dem Arbeitsmarkt brauche, so Hans-Georg Crone-Erdmann. Schon heute sei absehbar, dass ab 2015 eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt entstehe. Crone-Erdmann: „Niemand wird dann auf ältere Arbeitnehmer verzichten können.“ Der Grund dafür sei, dass die nachkommende Generation den entstehenden Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften statistisch nicht ausgleichen könne.

Vor diesem Hintergrund sei es völlig unverständlich, so der Statistik-Professor Gerd Bosbach, dass nicht schon heute mehr in eine gute Ausbildung der jungen Menschen investiert werde. Er beklagte fehlende Ausbildungsplätze und ungenügende Angebote an den Universitäten. Bosbach verwies darauf, dass das Durchschnittsalter im vergangenen Jahrhundert um rund 30 Jahre gestiegen sei. Und daran, so Professor Philipp, „ist vor allem die Medizin schuld“. Leidenschaftlich setze er sich dafür ein, dass man mit viel Bewegung und geistiger Beweglichkeit sehr viel für sein Wohlbefinden tun könne. Gerne nahmen die Zuhörer dabei seinen augenzwinkernden Hinweis auf, „dass man mit zwei Litern Rotwein am Tag das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes erheblich senken könne“.

Gute Ideen sind gefragt

Ursula Lehr machte zuletzt deutlich, wie wenig die Gesellschaft sich darauf einstelle, immer älter zu werden. „Es fängt doch bei fehlenden Geländern und mangelhaften Böden und Treppen in öffentlichen Gebäuden an.“ 30 Prozent aller Pflegefälle seien die direkte Folge von Stürzen, so die Gerontologin. Und noch stünden gute Ideen aus, wie man durch Design und bessere Organisation der Infrastruktur in den Städten den Menschen das Altern erleichtere. Unter dem Schlussstrich der 20. Universitätswochen stand damit die Auforderung an alle gesellschaftlichen Gruppen und jeden einzelnen Menschen, den demographischen Wandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu betrachten.

Winfried Schoengraf, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse am Niederrhein, kündigte an, dass es auch im nächsten Jahr Universitätstage in Moers geben werde. „Sie werden voraussichtlich im doppelten Wortsinn etwas mit Mobilität zu tun haben.“

18.10.2007

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