Der Samstag beim 30. Comedy-Arts Festival

MOERS. „It ain’t gonna rain no more, ain’t gonna rain no more...“ Wie eine Beschwörungsformel sang Tomas Kubinek sein Begrüßungslied zum Festivalsamstag. Nachdem er sich am regenreichen Vorabend zuletzt sogar ausgezogen hatte, um die Festivalbesucher zum Durchhalten zu ermutigen („striptease to give courage“), sollte Petrus jetzt mit den Klängen der Ukulele besänftigt werde. Und siehe da: es funktionierte. Nur zwei, drei Mal wagte der Nieselregen vorsichtig einzusetzen, aber Kubinek wies ihn sofort in seine Schranken: „We had an agreement last night....“, und schon hörte es wieder auf.

Trudensucht in Moers

Ein trockener Abend also für ein Programm, das abwechslungsreicher kaum hätte sein können. Die erste Gruppe sei sehr laut, kündigte Kubinek an, und auch damit sollte er Recht behalten. Trude träumte von Afrika und ließ dabei nach besten Kräften die Felle zittern. Die trutschigen Hanseatinnen, die ihre Kochtöpfe gegen Trommeln und ihre Blockflöten gegen Rasseln ausgetauscht haben, schwelgen bis zum Siedepunkt in westafrikanischen Rhythmen, dass die falschen Perlen nur so fliegen. Eigentlich hätten sie ja einen Blockflötenwettbewerb erwartet, erklärten die verwegenen Damen, und so seien sie nun schon ein bisschen überrascht. Aber in aller Eile sei es ihnen gelungen, ein „modernes und ernsthaftes Programm zu erarbeiten“. Und das hatte es in sich. Ausgefeilte Rhythmik, mehrstimmige Gesänge, spannende Arrangements - und dazwischen immer wieder Klamauk, dass sich die Zuhörer vor Lachen bogen. Der Vorhof zur Hölle schien geöffnet, als die Truden mit verzücktem Lächeln und donnerndem Trommelterror und Urknalleffekten auf Kochtöpfen, Keksdosen und echten Trommeln, die sie mittels Kampfsportgürtel umgeschnallt hatten, ganz ohne Noten (oder doch fast) ihren Traum von Afrika lebendig werden ließen.

Wie eine Mischung aus Marlene Jaschke und Queen Elizabeth, modisch auf dem letzten bis allerletzten Stand und durch und durch anständig, zelebrierten die Truden ihre Elefantenniederkunft. Die Umstellung von der Blockflöte zur brachialen Trommel sei ihnen nicht leicht gefallen, versicherten sie, aber inzwischen beherrschen sie ihre Instrumente perfekt - allen voran Flower-power-Mathilde, grandios an der Snaredrum und voll im Drive. Natürlich stammen die Truden nicht aus Afrika, und auch die S-tücke sind „nicht so richtig echt“. Aber die gute Laune, die sie versprühen, die ist unverkennbar echt – und höchst ansteckend dazu. „Haben Sie das auch ges-pürt, ist das auf Sie rübergeschwappt?“ Welch eine Frage an diesem Abend: dem Beginn der Trudensucht in Moers.

Bruno ist tot, es lebe Bruno

Als Zugabe gab es einen Selbstverteidigungskurs mit Topfdeckel und Krückstock. Und den brauchte man symbolisch auch, um für „Fonsi“ gewappnet zu sein, den Kassenwart von Schloss Neuschwanstein, der die Welt aus seinem ganz eigenen Blickwinkel betrachtet und kein Blatt vor den bayerischen Mund nimmt. Mit viel Mut zu kruder Theorie und politisch mitunter recht zweifelhaften Ansichten lässt Fonsi alias Christian Springer sich über die Probleme der Welt aus: angefangen von dem Drama um Braunbär Bruno und WM-Maskottchen Goleo („sieht aus wie der uneheliche Sohn von Karl Dall und Tatjana Gsell“) bis zu Angela Merkels neuer Fußball-Leidenschaft und der drohenden Invasion des Chinesen, „der alles frisst, sogar Bierdeckel, weil er glaubt, das ist eine Katze, wo die Planierraupe drüber gefahren ist“. Nach dem Vorbild der Queen sollte Deutschland sich einen Hofnarren leisten, meint Fonsi, „aber das geht ja nicht, weil, wir ham‘ ja schon die Ulla Schmidt“. Der Mensch sei und bleibe nunmal „der größte Depp der Weltgeschichte“, da könne allenfalls die richtige Lebensweisheit helfen. Und die richtige Lebensweisheit, die man unseren dicken und doofen Kindern angesichts der Pisa-Studie vermitteln müsse, sei nicht mehr: „Früher Vogel fängt den Wurm.“ Nein, heute müsse es heißen: „Später Wurm verarscht den Vogel.“ Denn früher, da habe man halt einfach alles irgendwie gewusst. Aber heute – „Führerschein mit 17, Rente mit 67. Aber was machts die fuchzig Jahr‘ dazwischen?“

Martin Soan, Altmeister der alternativen britischen Comedy und Mitglied der legendären „Greatest Show on Legs“, nutzt die Jahre dazwischen zur Produktion von totalem Quatsch ohne Sinn und ohne Grund. Als einer der frühen Ideengeber der Comedy-Szene stellte Martin Soan gemeinsam mit seiner Assistentin Marie Flanagan in Moers das Ergebnis 30-jähriger Forschungsarbeit auf dem Gebiet des visuellen absurden Humors vor: „british humour on work, no pride and no shame.“ Die Requisiten sprachen für sich: Abflussrohre, Gummibänder, ein Maibaum, ein Streichholz und jede Menge wild gewordener Spielzeugfiguren, die sich sinnlos auf der Bühne drehten als perfekte Parodie. „Did you ever see Riverdance? It looks like this!“ Ob als Elefantenmann oder als Wellensittich, als barocker Edelmann oder geniales Michael-Jackson-Double in den verschiedenen Stadien der Schönheitsoperationen – Martin Soan versteht es, das Publikum mit seinen absonderlichen Ideen zu ergötzen. Nur einmal driftete das Verständnis von Humor weit auseinander: Als Soan seine tanzenden Spielzeugenten, der teuren Batterien wegen, wieder ausschaltete und aus dem Publikum einstimmig ein bedauerndes „Ohhhhhhhhh“ tönte, schüttelte der Komiker den Kopf: „You Germans are mad. Mader than me.“ Welch ein Kompliment aus berufenem Mund!

Teuflisch gut

Es folgte ein kurzes Intermezzo mit Mario Queen of the Circus, der schon im nachmittäglichen Straßenprogramm das Publikum verzaubert hatte. Mit seiner grandiosen Einrad-Nummer begeisterte der New Yorker Showstar, unterstützt von Claudia aus Neukirchen-Vluyn, auch das Publikum in der ausverkauften Arena. „Perfect, great, beautiful“, lobte Tomas Kubinek.

Nach dem trommellastigen Auftakt mit den Truden präsentierten „Deabru Beltzak“ aus dem nordspanischen Bilbao in ihrem gleichnamigen Musik-Spektakel Percussion der Spitzenklasse. In ihren diabolischen Kostümen wirkten die Musiker fast bedrohlich, wären da nicht die roten Sparkassen-Mützen gewesen, die sie sich scherzeshalber aufgesetzt hatten. Schwarze Teufel werden Deabru Beltzak nicht von ungefähr genannt. Leire Olaran, Alexandra Fernandez, Zésar Ogara, Lluis Queralfo, Fernando Barado und Txabi Elkorobarutia sind die Interpreten einer vor Temperament überschäumenden, feurigen und dabei höchst eigenwilligen Performance, die mit rhythmischer Dynamik und pyrotechnischen Effekten dieses theatralische Konzert zu einem besonderen Ereignis werden ließ.

Nach dem lauten Getöse gönnte Kubinek dem Publikum eine Ruhepause in Form eines Rückblicks auf 30 Jahre Comedy-Arts Festival. Ein bisschen Wehmut schwang in den Zuschauerreihen mit, aber auch viel Stolz, wen man schon alles in Moers hatte erleben dürfen. An dieser Stelle durfte der Dank an die Sponsoren des Festivals nicht fehlen, die NRZ und natürlich die Sparkasse Moers, die das Festival seit seinen Anfängen unterstützt hat.

Das krönende Finale des Abends gebührte den Preisträgern des Henriettchens 2006: Les Macloma. Das Trio aus Paris verzauberte mit seiner Comédie Clownesque: subtil, satirisch, sarkastisch. Seit über 35 Jahren arbeiten Guy Pannequin, Alain Catonne und Philippe Azoulay zusammen, und doch wirkte ihr Auftritt spontan und frisch. Manchmal haben die Sketche einen bitteren Beigeschmack, aber gesund, „wirklich gesund“, wie Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo es formulierte, ist dieser Humor immer.Die Fotos vom Samstagabend beim Comedy Arts vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.

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