Dr. Henning Scherf bei den 20. Universitätswochen

Dr. Klaus-G. Fischer, Uni-Rektor Lothar Zechlin und Sparkassendirektor Winfried Schoengraf (v.l.n.r.) begrüßten Dr. Henning Scherf (vorne) zum Auftakt der 20. Universitätswochen in Moers.

MOERS. Das Altwerden nennt Dr. Henning Scherf eine „Riesenchance für die Zivilgesellschaft“. Während namhafte Buchautoren wie Frank Schirrmacher oder Meinhard Miegel vor der Vergreisung der Gesellschaft und vor dem Ende des Wohlstandes in Europa warnen, „polemisiere ich fröhlich dagegen“, sagte der ehemalige Bürgermeister von Bremen zum Auftakt der 20. Universitätswochen. Mehr als 300 Zuhörer waren in die Kundenhalle der Sparkasse am Niederrhein gekommen, um von dem 69-jährigen, prominenten Fürsprecher des aktiven und engagierten Altwerdens zu erfahren, wie er sich das konkret vorstellt.

Altwerden ist keine Krankheit

„Wenn man den aktuellen politischen Diskussionen und den Sorgen um die sozialen Kassen zuhört, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Altwerden sei eine Krankheit, gegen die noch keiner das richtige Mittel erfunden habe“, sagte Sparkassendirektor Winfried Schoengraf eingangs. Das Thema der 20. Universitätswochen, „Demografischer Wandel – Bedrohung oder Chance für unsere Gesellschaft“, verlange hingegen klare und fundierte Antworten. Die hatte Dr. Scherf am ersten von insgesamt drei Abenden dabei: „Ohne die Alten wäre es schon heute und noch vielmehr in der Zukunft schlecht bestellt um unsere Gesellschaft.“

Es sei einfach nicht wahr, dass die Kranken- und Pflegekosten für die Alten immer weiter anstiegen. Scherf: „Studien belegen, dass sich die Pflege- und Krankenkosten im Durchschnitt immer auf die letzten 12 bis 15 Lebensmonate konzentrieren, egal wie alt die Menschen werden.“ Und es sei auch nicht wahr, dass die Menschen mit zunehmendem Alter nicht mehr leistungsfähig seien. Weltweite neurologische Untersuchungen hätten ergeben, dass sich die Gehirnzellen bis ins hohe Alter immer wieder erneuerten. „Es kommt eben nur darauf an, was man damit macht“, so der Autor des Buches "Grau ist bunt".

Wohngemeinschaft von Älterwerdenden

Lebenslange Ausbildungsprogramme seien ein zunehmend wichtiger Markt. Zudem gehe es darum, seine sozialen Kompetenzen zu stärken und zu trainieren. Wenn das gelänge, so müssten schon heute rund 30 Millionen Menschen in Deutschland keine Angst vorm späteren Alleinsein zu Hause oder in Heimen haben. Diese These untermauerte Henning Scherf mit seiner Erfahrung von bislang schon 20 Jahren in einer Wohngemeinschaft von Älterwerdenden.

„Wir haben früh Kinder bekommen, deshalb waren sie schon früh aus dem Haus.“ Mit Mitte 40 haben sich seine Frau und er mit weiteren acht Freunden in der gleichen Lebenssituation zusammengetan, um mitten in Bremen eine neue und tragfähige Wohnform für die Zukunft aufzubauen. Scherf: „Wir definieren das Zusammenleben von Woche zu Woche, von Monat zu Monat neu.“ Zwei Mitbewohner hat die Gemeinschaft schon bis zu ihrem Tode zuhause gepflegt, sich zum Ende hin abwechselnd zu ihnen ins Bett gelegt. „Eine solche Erfahrung gibt dem eigenen Leben eine neue Tiefenschärfe“, so der studierte Jurist und Sozialwissenschaftler.

Relativer Begriff

Leidenschaftlich warb Dr. Henning Scherf dafür, sich aufs Altwerden zu freuen, seine Kompetenzen zu entfalten und schon heute soziale Netzwerke zu gründen. Professor Lothar Zechlin, der Rektor der Universität Duisburg-Essen, hatte in seinem Grußwort davon gesprochen, dass das Altwerden und -sein ein relativer Begriff sei. Nach rund eineinhalb Stunden frei vorgetragenem Lobgesang auf die Chancen, die der dritte große Lebensabschnitt den Menschen abseits von Fernsehen und Altenheim bietet, klatschten die mehr als 300 Zuhörer dazu lebhaften Beifall.

Der Psychologe Professor Edgar Heineken von der Universität Duisburg-Essen berichtet am Donnerstag, 11. Oktober, um 20 Uhr von der „tagtägliche Wiederaufführung der Vergangenheit im Gedächtnis“. Die Karten für diesen und den abschließenden Abend der 20. Universitätswochen sind seit langem vegriffen.

5.10.2007

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