Bislang unveröffentlichte Briefe und Schriften Diesterwegs:

MOERS. Vom Zwang zum Stillsitzen und vom mühsamen Erlernen fremder Sprachen, „während alle anderen Gegenstände verkrüppeln“, hielt Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790 – 1866) nichts. Am 17. Februar 1822 schreibt er in sein Tagebuch: „Die alten Sprachen sind faul machender Mist.“ Mit klaren Worten und viel Herz trat der namhafte Pädagoge, der 1820 das Lehrerseminar in Moers gründete, für seine Ideen einer ganzheitlichen Erziehung ein. Eben ist mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Kulturstiftung Sparkasse Moers der 850 Seiten umfassende Band 23 seiner „sämtlichen Werke“ erschienen. Herausgeber Professor Klaus Goebel: „Im Mittelpunkt stehen Briefe, amtliche Schreiben und Tagebuchaufzeichnungen aus seiner Moerser Zeit, die zum großen Teil noch nie veröffentlicht wurden.“

Kinder sind wie Knospen, die sich entwickeln wollen

Diesterwegs Wirken am Niederrhein markiert den Beginn moderner Lehrerausbildung und Schulen in Deutschland, darüber sind sich die Forscher heute einig. Bis zur Gründung des Seminars wurden Volksschullehrer allerorten von sogenannten Schulmeistern darin unterrichtet, wie man aus Kindern brauchbare Mitglieder der Gesellschaft macht. In zahlreichen Briefen und Dokumenten kritisiert Diesterweg die traditionellen Bürgerschulen und beklagt ihre „Unnatürlichkeit“.

Kinder, so schreibt er, seien „Knospen, deren Entfaltung der Lehrer nicht im Weg stehen dürfe, vielmehr müsse er alles, was sich ihrer natürlichen Entwicklung in den Weg stelle, aus dem Weg räumen.“ Das Moerser Lehrerseminar wurde zum Vorbild und Modell für ganz Preußen. Professor Goebel: „Es ist in gewissem Sinne das Vorgängerinstitut der Duisburger Universität.“ 1832 ging Diesterweg als Direktor des Seminars für Stadtschullehrer nach Berlin.

Vorbild Pestalozzi

Von einem Besuch dort schreibt er zwei Jahre zuvor an seine Frau Sabine: „Ich habe Knaben von 8 Jahren hier gesehen, die unsere 12jährigen clevischen in Vielem übertreffen.“ Diesterweg lobt die „Lebendigkeit, Thätigkeit und Gesittetheit“ der preußischen Jugend, schränkt jedoch ein: „Aber die Rheinländer mögen die Berliner wohl an Gemüth übertreffen.“

Die erstmals veröffentlichten Schriften Diesterwegs unterstreichen sein unermüdliches Engagement für eine Kindererziehung im Sinne des Schweizer Pädagogen Pestalozzi, der sich für eine Erziehung mit „Herz, Hirn und Hand“ stark gemacht hatte. Professor Goebel: „Wir hatten zuvor keinen schriftlichen Beleg dafür, daß sich Diesterweg so konkret auf Pestalozzi bezieht.“

Briefe aus dem geheimen Archiv

Fündig wurden Professor Goebel und seine Mitarbeiterinnen Sylvia Schütze, Gaby Herchert und Elisabeth Gutjahr vor allem in lange verschlossenen Archiven. „Wir haben einige hundert Briefe und Dokumente aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem ausgewertet.“ Bis Mitte der 70er Jahre waren diese in einer „pädagogischen Auskunftsstelle“ der DDR aufbewahrt worden.

Die bislang 22 Bände umfassende Gesamtausgabe Diesterwegs wurde bereits 1954 in der DDR begonnen. Professor Goebel rezensierte in den 70er und 80er Jahren die erschienenen Bände und machte sich einen Namen als Diesterweg-Experte. Heute ist der Historiker der Universität Dortmund einer von sechs Herausgebern, er betreut die Bände 23 bis 25. Abseits der umfangreichen Gesamtausgabe, die eher wissenschaftlichen Zwecken dient und 55 Euro kostet, gab Professor Goebel bereits vor drei Jahren ein ebenso informatives wie unterhaltsames Buch mit Diesterweg-Texten heraus. Dieses ebenfalls von der Kulturstiftung Sparkasse Moers geförderte Buch mit dem Titel „Diesterweg am Niederrhein“ ist beim Luchterhand Verlag erschienen. Es umfaßt 224 Seiten mit 47 Abbildungen und kostet 15 Euro.

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