Samstagabend beim Comedy Arts / Wechselvoller Programmbogen

MOERS. Die unfaßbare Mischung aus einem Känguruh und Ulrich Wickert hat einen Namen: Rob Spence. Man könnte auch glauben, der smarte Australier sei eine kultivierte Power-Version von Crocodile Dundee. Tanz, Pantomime, Wortwitz, Improvisation – Rob Spence, der Mann mit den ultralangen Unterarmen und einer herausnehmbaren Wirbelsäule war der Ayers Rock des Comedysamstags. Als Fels in der Brandung eines äußerst wechselvollen, acht Stunden (!) langen Programmbogens feierten die rund 1800 Zuschauer in der Sparkassen-Arena den Moderator des Abends als Attraktion und bestaunten ihn mitunter wie ein physiologisches Wunder.

Die Lautstärke und Intensität der ersten Lacher beschleunigte bei denjenigen, die wenige Minuten nach 18 Uhr die Eingangskontrolle passierten, die Suche nach einem Sitzplatz und die Vorfreude auf einen unterhaltsamen Comedy-Abend. Zu diesem Zeitpunkt strahlte Rob Spence bereits als spanischer Torero in die Arena: „Ich habe drei Söhne. Sie heißen José, Unterchose und Strumpfchose.“ Ein „freiwilliger“ Stier aus dem Publikum steigerte das Vergnügen an dieser Slapstick-Nummer und lieferte einen ersten Eindruck von der Professionalität und Liebenswürdigkeit dieses Komödianten. Spätestens nach seiner Nummer als kanadischer Holzfäller mit einem Biber, der als Kettensäge hohen Blutdruck entwickelt, hatte er die fröhlich gestimmten Herzen auf seiner Seite.

Laute aus der Zeit, ehe der Mensch das Trommeln entdeckte

Mächtig auf die Pauke hauten die drei Jungs von „BAM“, die eigens dafür aus dem Osten Kanadas in die Grafenstadt gekommen waren. In ihrer „Blue Barrel Show“ schlugen sie auf ziemlich alles, was Haare hat und Töne von sich gibt. Gleichzeitig martialisch und durchdacht, so wirbelten die nur mit einer knappen Sporthose bekleideten Sunnyboys über die Bühne. Sie verständigten sich dabei in einer allgemein verständlichen Sprache, deren Laute und Gesten schon existierten, lange bevor der Mensch das Trommeln entdeckte. Vom Publikum erhielten sie für ihre ebenso unterhaltsame wie rhythmische Schwerstarbeit auf der Bühne den verdienten Applaus.

Was dann kam, wäre mit der vermeintlichen Wirkung einer Portion aus „szeneüblicher Tütchen“ wahrscheinlich richtig witzig gewesen. Ohne Stoff wirkte Alexandre Pavlatta, das bislang „unentdeckte Talent“ (so das Programmheft) allerdings eher peinlich. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Nachdem er sich völlig entblödet und entblößt hatte, schlug die Verlegenheit ob seiner deplazierten Verrenkungen und Scherzchen beinahe in Mitleid um. Beim Publikum hatte sein entgrenzter Konsum von Alkohol und Drogen, der die Fieberkurve der Karrieren von Dean Martin, Sammy Davis Junior und Frank Sinatra im Schnelldurchlauf symbolisieren sollte, eher abturnenden Charakter. Was nach Pavlattas lau beklatschtem Abgang blieb, das war der Eindruck eines Künstlers, der in kurzen Momenten tänzerisch und pantomimisch zeigte, daß Talent in ihm steckt. Die Bühne des Comedy Arts Festivals allerdings war ihm ebenso zu groß wie seine Schlabberhose.

Schöne Bilder mit russischer Seele

Die schönsten Bilder dieses und früherer Comedy Arts Festivals haben eine russische Seele. Diesmal verzauberte das Trio „Theatre Comic Trust“ aus St.-Petersburg die Sinne. In phantasievollen Kostümen erweckten sie eine mittelalterliche Traumwelt mit Königin, Rittern, einem Hoffräulein und Turnieren zum Leben. Das Ganze wirkte immer dann wie ein animiertes Computerspiel, wenn der grüne Cursor per Doppelklick für Stillstand oder Richtungswechsel bei den Akteuren sorgte. Mit tänzerischer Artistik und spielerischer Perfektion generierten sie dabei überwältigende Bilder von starker Imaginationskraft. Tausende von Seifenblasen verrieten symbolisch die russische Zaubermixtur: schillernde Spannkraft und sanfte Leichtigkeit. Begeisterter Jubel und langanhaltender Applaus für die Künstler aus St.-Petersburg.

Die Idee, auf leeren Plastikflaschen, Abflußrohren und einer umgedrehten Kinderbadewanne Musik zu machen, ist schon gut. Sie allerdings so virtuos und mit atemberaubendem Timing auf die Bühne zu bringen, dafür belohnte das Festival Publikum die „Les Poubelles Boys“ aus Frankreich am Ende ihres Müllwerkerkonzertes mit Standing Ovations und frenetischem Beifall. Der unerbittlichen Forderung nach einer Zugabe mußten die drei Musiker schließlich nachkommen, obwohl der nahe Kirchturm schon lange Mitternacht geschlagen hatte und der Stargast des Abends, die spanische Diva Laura Inclán, noch in der Garderobe wartete.

Purgatorium für erfolglose Künstler

Nur der zeitlichen Verspätung, nicht aber der künstlerischen Qualität des von Leo Bassi inszenierten Anti-Musicals war es zuletzt zuzurechnen, daß ein Großteil des Publikums den Heimweg bereits antrat, als die Vorstellung noch lief. Dramaturgisch wäre es tatsächlich richtiger gewesen, die französischen Müllmusiker hätten den Kehraus eingeläutet. Nun zog sich die technisch wie stofflich anspruchsvolle Bassi-Produktion weit in den frühen Sonntag hinein und erhielt nicht den Zuspruch, den sie sicher verdient hätte. Denn schließlich geht es um die Seele einer frustrierten Frau und Künstlerin, die in den Freitod gegangen ist. Auf dem Weg vom Tod zur Hölle erhält sie die Chance, doch noch ins Paradies zu gelangen. Dazu muß sie unter anderem in ein rosarotes Hasenkostüm schlüpfen, um unerzogene Kinder in einem Freizeitpark zu erheitern. Leo Bassi, der in dem Stück als Gottvater auftritt: „Ein Purgatorium für jeden erfolglosen Künstler.“Die Fotos vom Samstagabend beim Comedy Arts vermitteln einen Eindruck vom wechselvollen Programmbogen. Zum Vergrößern der Fotos einfach draufklicken.

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